Viele junge Menschen in den Programmen der SOS-Kinderdörfer, gehen mit einer schweren Hypothek ins Leben: Sie haben Dinge miterleben müssen, die sie nicht mehr loswerden. Die Geschichte von Ashra aus Bangladesch beschreibt, wie die SOS-Kinderdörfer mit diesem Thema umgehen.
"Meine Mutter ist vor meinen Augen gestorben. In meiner Familie gab es viel Gewalt. Ich war damals zwei Jahre alt. Manche sagen, an solche Dinge aus frühester Kindheit erinnert man sich nicht. Aber das stimmt nicht. Ich trage das bis zum heutigen Tage mit mir herum" – das erzählt die 13-jährige Ashra, die in einem SOS-Kinderdorf in Bangladesch lebt. Ihr Schicksal ist wahrlich kein Einzelfall. Aber die Art, wie sie – auch mit Hilfe von außen – damit umgeht, ist außergewöhnlich. Deshalb erzählen wir hier ihre Geschichte.
Der kritische Punkt ist: Solche traumatischen Erfahrungen offen anzusprechen, ist in vielen Gesellschaften immer noch verpönt. Man hat das mit sich selbst auszumachen. Bei Ashra war es so, dass sich das Erlebte immer stärker in ihrem Verhalten bemerkbar gemacht hat: Schlafstörungen und Albträume; schwache Schulleistungen und Aggressionen; Rückzug und destruktives Verhalten – um nur einige Symptome zu nennen.
Die Mitarbeitenden im SOS-Kinderdorf nahmen die Symptome ernst und konnten sie dank ihres Fachwissens auch richtig einordnen. "Erkennen und Zulassen" waren die ersten Schritte auf einem Weg der Heilung, der inzwischen viel Besserung gebracht hat, aber noch lange nicht zu Ende gegangen ist.
Mit einfühlsamer Begleitung kann Ashra ihre Erfahrungen teilen und neue Stärke gewinnen. Foto: Tanusri Bose Soma
Hilfe zuzulassen, ist ein Zeichen von Stärke
Die Therapie ist für Ashra ein sicherer Ort geworden, an dem sie über ihre Ängste sprechen kann. Schritt für Schritt gelingt es, das Trauma zu bewältigen. Was aber für Ashra besonders wichtig ist: Sie braucht sich in ihrer Umgebung nicht zu schämen für das, was sie durchmacht und erlebt. Die Psychologinnen und Psychologen beziehen auch Menschen aus Ashras Umfeld ein, damit sie verstehen, was hier vor sich geht. Alle Beteiligten beginnen zu verstehen, dass Ashra keine Schwäche zeigt, wenn sie die Hilfe in Anspruch nimmt, sondern Stärke. Und damit sind Ashra und ihre Angehörigen auch ein Vorbild für andere. Das fürchterliche Thema wird nicht mehr unter den Tisch gekehrt, sondern Schritt für Schritt gemeinsam bearbeitet.
Überall auf der Welt sind die SOS-Kinderdörfer mit derartigen Themen konfrontiert. Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe an, nicht nur den Betroffenen zu helfen, sondern auch ein anderes Bewusstsein dafür zu schaffen, wie psychische Gesundheit erreicht werden kann.