Ida Faal (25) ließ sich in der SOS-Werkstatt zur Automechanikerin ausbilden und wurde so ein Vorbild für viele Mädchen und Frauen in Gambia. Jetzt will die selbstbewusste Frau dafür sorgen, dass sie in ihrer Heimat keine Exotin bleibt, wie sie im Interview erzählt.
Frau Faal, erzählen Sie doch mal: War es in einem patriarchalischen Land wie Gambia eigentlich schwierig, Automechanikerin zu werden?
Ida Faal: Leider ja. Es gab jede Menge Widerstände. Vor allem von meiner Mutter. Sie wollte, dass ich einen Bürojob mache. Aber im Blaumann und mit Arbeitsschuhen gefalle ich mir viel besser als in High Heels und schicken Kleidern. Ich liebe Autos, und ich liebe es, Probleme zu lösen. Automechanikerin ist da der beste Job.
Am glücklichsten bin ich, wenn ich in der Werkstatt bin und Motorenöl an den Händen habe. Bei SOS spielte mein Geschlecht nie eine Rolle. Aber viele Männer haben zunächst gesagt, dass meine Hände zu klein seien und ich nicht genug Kraft hätte. Das ist natürlich Quatsch! Wollen Sie mal Armdrücken gegen mich machen? (Anmerkung: Der Wettkampf endete mit einem Unentschieden.)
Sie haben Ihre eigene Stiftung gegründet, die Mädchen dazu ermutigen soll, sich in der Schule mehr für naturwissenschaftliche Fächer zu interessieren und später technische Berufe zu erlernen. Warum?
Weil ich zu viele Mädchen und Frauen kenne, die mit ihren zukünftigen Chefs schlafen mussten, um einen Job zu bekommen und ständig für Sex mit dem Vorgesetzten bereitstehen müssen, wenn sie ihren Job nicht verlieren wollten. Frauen, die einen gefragten technischen Beruf erlernen, können freier und unabhängiger leben. Für viele Mädchen und Frauen habe ich deshalb mittlerweile eine gewisse Vorbild- und Mentor-Funktion.
Andere junge Gambier und Gambierinnen suchen ihr Heil in der Flucht. Haben Sie je daran gedacht?
Nein! Denn ich kenne auch viel zu viele junge Frauen, die in der Wüste verdurstet, in Libyen vergewaltigt worden oder im Mittelmeer ertrunken sind. Außerdem machen wir uns nichts vor: In Europa gibt es viele, die das können, was ich kann. Dort müsste ich wieder bei null anfangen. Hier bin ich eine der wenigen Technikerinnen. Hier bin ich zu Hause, und hier habe ich große Pläne!
Was sind das für große Pläne?
Ich habe in der SOS-Werkstatt mit meinen Kollegen ein Fahrzeug zusammengeschraubt. Aber das reicht mir nicht. Ich will das erste Auto "Made in Gambia" entwickeln und hier in Serie produzieren! Es muss günstig sein, wenig verbrauchen, keinen überflüssigen Schnickschnack haben und gut geeignet für unser heißes Wetter, unsere schlechten Straßen und unseren schlechten Sprit sein. In Europa brauchen Autos vielleicht ein gutes Unterhaltungssystem und müssen 250 Sachen fahren können. Hier brauchen sie vor allem gute Stoßdämpfer und eine gute Benzinpumpe. Die großen internationalen Konzerne bauen solche Autos nicht. Es lohnt sich für sie nicht – und genau das ist meine Chance. Ich mag Geld. Ich habe nichts dagegen, reich zu werden. In Gambia.
Das sind wirklich ambitionierte Ziele. Bleibt da Zeit für eine Beziehung?
Momentan nicht, auch wenn meine Mutter mir ständig sagt, dass ich mir endlich einen Mann suchen soll. Aber ich brauche jetzt wirklich keinen Typen, der mich von der Arbeit abhält. Außerdem ist es für Frauen wie mich gar nicht so leicht, einen Partner zu finden. Viele Männer in Gambia haben Angst vor Frauen wie mir, die etwas auf dem Kasten haben und ihnen vielleicht überlegen sind. Aber da wird sich schon noch ein Unerschrockener finden.
Dieses Interview erschien in der Passauer Neuen Presse im Rahmen der Weihnachtsaktion "Ein Licht im Advent" zugunsten der SOS-Kinderdörfer.