Mazedonien: Ein Platz für Flüchtlingskinder

SOS-Nothilfe-Kita als Rettungsinsel für Familien

Ankunft in Tabanovce, an der Grenze zwischen Mazedonien und Serbien. Hamida schiebt ihre Kinder in den warmen SOS-Wohncontainer und sinkt direkt neben dem Eingang nieder. Mit letzter Kraft hat sie sich und ihre vier Kinder hierher gebracht. Während sich die Kinder vorsichtig im Raum umsehen, laufen Hamida die Tränen über das Gesicht und sie bittet etwas auf Arabisch. "Meine Mutter braucht einen Arzt", übersetzt der fünfzehnjährige Mohamed ins Englische.


In der SOS-Nothilfe Kita in Tabanovce können Kinder eine kurze Pause einlegen, Spielen und die Strapazen der Flucht verarbeiten. Fotos: Katerina Ilievska

Ein Arzt des Roten Kreuzes untersucht Hamida und empfiehlt, sie schnellstmöglich von einem Spezialisten in der nächstgelegenen Stadt behandeln zu lassen. Doch Hamida klammert sich an ihre knapp zweijährige Tochter und rührt sich nicht von der Stelle. "Sie muss schnell zu einem Arzt", insistiert der Notarzt. "Können die Kinder hier bleiben?"

Ein sicherer Ort für Kinder

Seit Wochen auf der Flucht. Allein unterwegs in einem Land, dessen Namen sie oft nicht einmal kennen. Wie soll eine Mutter ihre Kinder einfach bei fremden Menschen zurücklassen? Larisa, eine SOS-Mitarbeiterin, versucht zu vermitteln: "Mohamed, du und deine Geschwister könnt hierbleiben. Wir passen auf euch auf, bis eure Mutter zurückkommt. Bitte sag ihr, dass alles o.k. ist." Zögerlich stimmt Hamida schließlich zu, ins Krankenhaus gebracht zu werden.


In der SOS-Kita könenn Mütter ihre Kinder im Warmen umziehen oder Wickeln.

Rund 100 Kinder und Erwachsene übernachten derzeit durchschnittlich in der SOS-Kita, jeder Zentimeter ist dabei belegt.

Platz zum Spielen und ausruhen

Die Nothilfe-Kita der SOS-Kinderdörfer in der Transitstation Tabanovce ist eine besondere Einrichtung: zwei doppelstöckige Container, die am Rande der Zugstation stehen. Hier gibt es bunte Spielteppiche, Tische zum Malen und Basteln, Spielzeug. Familien mit Kindern finden hier Schutz und Hilfe. Ein Ort zum Verschnaufen, zum Spielen, Windeln wechseln. Zusätzlich bieten Computer die Möglichkeit, sich zu informieren oder Kontakt zu Angehörigen aufzunehmen. Bis zu 100 Eltern und Kinder können hier gleichzeitig unterkommen. Manchmal sind es nur einzelne Eltern mit Kindern, manchmal viele Familien gleichzeitig. Einige bleiben nur kurze Zeit, andere über Nacht. Alle, die hierherkommen sind erschöpft, am Ende ihrer Kraft. Nicht selten ist ein Familienmitglied krank. Andere stecken auf der Reise fest, weil ihnen Papiere fehlen, Dokumente abhanden kamen oder andere Gründe die Weiterreise verzögern. Kinder können hier auftanken, während ihre Eltern ihre Gedanken neu sortieren: Wie soll es weitergehen, wohin werden wir gehen?

Nasse Hose oder verlorener Pass


Mohamed und seine Geschwister wurden von SOS-Mitarbeitern betreut, während ihre Mutter im Krankenhaus behandelt wurde.

Während Hamida im Krankenhaus ist, kümmert sich Mohamed um seine kleine Schwester Meysa, die durch den Container saust und ständig nach ihrer Mutter fragt. "Mama kommt bald wieder. Sie muss nur etwas holen", beruhigt er sie. Mohamed und seine Familie kommen aus Basra im Irak, wo sie vor dem IS geflohen sind. Er ist schon seit ungefähr einem Monat unterwegs. Schnell stellt sich heraus, dass Mohamed der einzige unter den Müttern, Kindern und Jugendlichen ist, der Englisch spricht. Gerne hilft er beim Übersetzen: Eine Familie braucht eine trockene Hose für ihren Sohn, eine Mutter mit Baby sucht ein Quartier für die Nacht, andere versuchen einem Polizisten zu erklären, dass sie keine Papiere mehr haben…

Als Hamida ein paar Stunden später wieder zurückkommt, schließt sie die kleine Meysa fest in den Arm. Nun sind es Tränen der Erleichterung, die ihr über das Gesicht laufen. "Shukran" – Danke, wiederholt sie immer wieder. Gemeinsam mit rund 30 anderen Flüchtlingen bleibt Mohameds Familie über Nacht im SOS-Zentrum. Jacken dienen als Kopfkissen, es ist einfach, aber sicher, warm und trocken. Am frühen Morgen hört man das Pfeifen eines Zuges. Neue Flüchtlinge kommen an. Als Hamida sich verabschiedet übersetzt Mohamed: "Wir haben auf unserer Flucht noch keinen solchen Ort gesehen."

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