Lachana Hada (29) ist das, was man eine Überfliegerin nennt. Die junge Frau aus Nepal setzte sich mithilfe eines SOS-Stipendiums als Informatikerin in einer Männerdomäne durch. Heute gibt sie Informatik-Workshops für Mädchen in Nepal.
Der Terminkalender von Lachana Hada ist voll bis an den Rand. Etwas Anderes würde man von einer erfolgreichen Informatikerin, die in München Herzchirurgie-Software entwickelt, auch nicht erwarten. Das hält die junge Nepalesin nicht davon ab, Zeit für ihre zweite Leidenschaft zu finden: Sie möchte Mädchen in Nepal für MINT*-Studienfächer begeistern. Deshalb startete sie 2015 die "Coder Girls Initiative".
Weibliche Vorbilder? Fehlanzeige!
Lachana berichtet von veralteten Rollenbildern in Nepal, die Mädchen nach wie vor in Pflegejobs zwingen. Und von fehlenden weiblichen Vorbildern in technischen und wissenschaftlichen Berufen. "Die wenigen Mädchen, die sich für MINT interessieren, bekommen in Nepal nicht die Gelegenheit, Technologien auszuprobieren, die wirklich state-of-the-art sind", erzählt sie bewegt. "Also habe ich entschlossen, das zu ändern. Ich wollte beweisen, dass Geschlecht nichts damit zu tun hat, wozu du fähig bist."
"Ich wollte beweisen, dass Geschlecht nichts damit zu tun hat, wozu du fähig bist."
Lachana weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, in Nepal gute Bildung zu bekommen: "Meine Eltern wollten mich zu einer guten Schule schicken – doch diese sind meist sehr teuer. Zum Glück wurden wir irgendwann auf die SOS-Schule aufmerksam. Dort habe ich nicht nur Mathe, Chemie und Physik gelernt. Ich habe auch Menschen kennengelernt, die täglich dafür kämpfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das hat mich inspiriert."
In der SOS-Schule erkannte Lachana ihre Leidenschaft für Technik und das Programmieren. Sie hatte exzellente Noten und konnte mit einem Stipendium der SOS-Kinderdörfer in Deutschland studieren. Sie machte ihren Bachelor in Engineering und Computer Science in Bremen und schloss 2014 ihren Master in Informatik an der Technischen Universität München ab.
Der berufliche Erfolg kam schnell. Doch ihr Wunsch, etwas an ihre Heimat zurückzugeben, blieb: "Ich möchte nicht nur neue Technologien entwickeln, ich möchte auch andere motivieren und ihnen helfen, ihr Potential zu erkennen. So wie SOS-Mentoren und -Lehrer mir geholfen haben, meines zu erkennen."
Von Pythons und anderen Programmiersprachen
Also suchte Lachana sich Verbündete und startete 2015 gemeinsam mit der Women Development Society und dem Software-Unternehmen Naya Yatra aus Nepal die "Coder Girls Initiative": Einmal jährlich veranstaltet sie seitdem mehrtägige Workshops zum Thema Programmieren für Schülerinnen und Studentinnen in Nepal. Immer mit einem ganz praktischen Ansatz, denn die Mädchen sollen sich ausprobieren und am Ende der Workshops ein Ergebnis sehen.
"In der letzten Workshop-Session Ende 2019 ging es unter anderem um die Python-Programmiersprache. Komplexe Themen, aber wir haben sie spielerisch aufbereitet.", erzählt Lachana. "Zum Beispiel haben wir einer Maschine beigebracht, Bilder von verschiedenen Tieren wie Katzen und Hunden zu unterscheiden und zu kategorisieren."
Lachanas Idee steckt an
Bereits mehrere Schulen in Nepal haben angekündigt, eigene ähnliche Workshops anzubieten. Und das ursprüngliche Konzept habe sie weiterentwickelt, erklärt Lachana stolz: "Wir haben gemerkt, dass auch Jungs kaum praktische Einblicke in die MINT-Welt bekommen. Deshalb nennen wir die 'Coder Girls' ab sofort 'Impacters' und lassen auch Jungs an den Workshops teilnehmen."
Für Lachana war die letzte Workshop-Session im Dezember ein Volltreffer: "Danach haben mir viele Teilnehmerinnen erzählt, dass sie sich vorstellen können Informatik zu studieren. Und das, obwohl sie vor dem Workshop nie auf diese Idee gekommen wären! Einige von ihnen möchte ich definitiv als Mentorin von München aus weiter fördern und ihnen helfen, mehr Praxiserfahrungen zu sammeln."
* MINT bezeichnet Unterrichts- und Studienfächer sowie Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik