Kahena Hebib arbeitet als Sprachtherapeutin im SOS-Kinderdorf Draria in Algerien. Sie behandelt Kinder, die an Sprech- oder Schreibstörungen leiden, und gibt Förderunterricht. Im Interview berichtet sie davon, wie wichtig es für den Therapieerfolg ist, den Kindern Selbstvertrauen und das Gefühl von Geborgenheit zu geben.
Wie kamen Sie zu SOS?
"Wenn ich zu den Kindern nach Hause komme, baue ich dadurch Vertrauen auf": Sprachtherapeutin Kahena Hebib mit Kindern in einem Familienhaus des SOS-Kinderdorfs - Fotos: Sandrine Houalet
Kahena Hebib: Nachdem ich ein Jahr Psychologie und drei Jahre Sprachtherapie studiert hatte, machte ich ein einjähriges freiwilliges Praktikum an der Universitätsklinik Mustapha Bacha in Algier. Danach arbeitete ich an einer Vorschule als Französischlehrerin und Sprachtherapeutin. Ich kam jeden Tag auf meinem Nachhauseweg von der Arbeit am SOS-Kinderdorf vorbei. Eines Tages bat ich um einen Termin beim Dorfleiter. Er hat mich vom Fleck weg eingestellt, und ich begann am 12. Dezember 2004 - meinem Geburtstag - für SOS-Kinderdorf Algerien zu arbeiten! Zuerst arbeitete ich im SOS-Kindergarten Draria. Gleichzeitig unterrichtete ich die Vorschulkinder - das perfekte Alter um neue Sprachen zu lernen - in Französisch. Da es genug Kindergärtnerinnen gab, hatte ich auch Zeit für die Kinder im SOS-Kinderdorf.
Wie sieht Ihre Arbeit als Sprachtherapeutin im SOS-Kinderdorf aus?
Viele Kinder haben Lernschwierigkeiten wie Dysgraphie (Schreibstörung) oder Dyslexie (Lesestörung). Und sie brauchen Hilfe, damit sie ihre Schulnoten verbessern können. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie sich einfach so geschlagen geben. Ich sehe die Kinder zwei- oder dreimal wöchentlich zur therapeutischen Rehabilitation und zwischen drei- und viermal die Woche beim Förderunterricht in ihren Familienhäusern. Normalerweise beginne ich mit der Rehabilitation und gehe dann zu Förderunterricht über. Insgesamt habe ich 30 junge Klienten im SOS-Kinderdorf; nur in einem Familienhaus werden meine Dienste nicht benötigt. Ich arbeite individuell oder in Gruppen. Von Zeit zu Zeit schließen sich Kinder aus anderen Häusern an, und wir arbeiten alle zusammen.
Wie alt sind die Kinder, mit denen Sie arbeiten, und unter welchen Störungen leiden sie? Welche Ursachen haben die Probleme?
Sind die Behandlungsbedingungen, das Umfeld und die Förderung gut, können leichte Sprech- oder Schreibstörungen praktisch überwunden werden.
Viele Kinder sind im Alter von fünf bis zehn Jahren. Manchmal sind die Kinder sogar älter. Beispielsweise behandle ich einen Teenager, weil er stottert. Der Vierzehnjährige hat keine Verwandten. Wenn seine SOS-Geschwister ihre leiblichen Eltern sehen, leidet er häufig an Stotter-Attacken. Er muss lernen, richtig zu atmen und sich zu entspannen.
Einige Kinder leiden an Sprechstörungen, zwei haben Probleme mit Stottern und acht leiden an einer Störung des Sprachverständnisses. Wenn sie etwas Ungewöhnliches lesen oder erarbeiten, können sie den Sinn nicht 'entdecken'. Sie vergessen und können neue Informationen nicht verarbeiten und nicht richtig in Worte fassen. Das scheint etwas mit emotionalen Problemen zu tun zu haben.
Ein kleines Mädchen verwechselt beim Sprechen "Kh" - was für sie besonders problematisch ist, da dieser Konsonant in ihrem Vornamen vorkommt. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet und jetzt – nach nur drei Sitzungen – sehen wir schon positive Ergebnisse.
Für die Therapiesitzungen besuchen Sie die Kinder in ihrem Zuhause – welche Vorteile hat das?
Ich habe mit Kindern zu tun, die Schwierigkeiten haben; ihnen allen muss ich helfen, Selbstvertrauen aufzubauen. Wenn ich zu ihnen nach Hause komme, baue ich dadurch Vertrauen auf. Kinder fühlen sich sicherer, wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung und Geborgenheit sind. Ich spiele mit den Kindern, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Die ersten 15 Minuten einer 45-minütigen Sitzung sind dem Spielen gewidmet und dann wird 30 Minuten lang gearbeitet. So fühlt sich das Kind wohl und ich auch.
Ein weiterer Vorteil dieser Art des Arbeitens zuhause ist, dass ich der Mutter gleich direkt erklären kann, wie und woran wir arbeiten. Die Geschwister der Kinder, mit denen ich arbeite, sind neugierig und wollen wissen, was wir tun. Die Kinder mögen die Sitzungen und manche wollen damit sogar weitermachen, wenn sie meine Hilfe gar nicht mehr brauchen. Meine größte Freude ist es, mit den Kindern, die Hilfe brauchen, zusammen zu sein, ihnen zu helfen und zu sehen, dass es ihnen besser geht.
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