Ukraine: Helfen, das Erlebte zu überwinden

Eindrücke aus einem Land im Krieg: Barbara Gruner, Vorstandsmitglied der SOS-Kinderdörfer weltweit, besuchte Anfang August 2023 die Ukraine, wo in Kiew gerade ein weiteres Sozialzentrum der SOS-Kinderdörfer eröffnet wurde.

In Lwiw und Kiew machte sich Barbara Gruner ein Bild von der Arbeit der Sozialzentren der SOS-Kinderdörfer. Die Mitarbeiter:innen dieser Zentren kümmern sich um Familien, die ihr Zuhause verlassen mussten, da ihre Heimatstädte angegriffen und viele Häuser zerstört wurden. Die betroffenen Familien erhalten materielle Hilfe, Nahrungsmittel oder Hygieneartikel und werden psychologisch betreut. Es gibt viel Platz für Kinder um zu spielen, Beratung für Eltern und Angebote wie Kunsttherapie-Kurse – um zumindest für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen. Zusätzlich erreichen die SOS-Kinderdörfer mit mobile Teams die Menschen in der Umgebung. Im Interview berichtet sie von ihren Eindrücken.

Barbara Gruner (mitte), Vorständin der SOS-Kinderdörfer weltweit, im Gespräch mit Mitarbeiterinnen von SOS-Kinderdorf Ukraine. Die Zerstörungen sind überall gegenwärtig. Foto: Oleksandra Zborovska

Wie fühlt es sich an in und durch ein Land zu reisen, welches seit über 500 Tagen sich im Krieg befindet?

"Es ist insgesamt sehr bedrückend. Die Situation im Land ist natürlich sehr unterschiedlich, je nach Ort, an dem man sich befindet. Im Westen des Landes sieht man kaum Zerstörungen. Dort ist der Krieg nicht vorgedrungen oder eben nur in Form von vielen, vielen Flüchtlingen, Binnenflüchtlingen, Vertriebenen in der Mitte des Landes. Besonders in der Region um Kiew herum. Dort befinde ich mich. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht man natürlich die große Zerstörung, die die Angriffe hinterlassen haben. Die Menschen leben rund um Ruinen herum, haben zum Teil alles verloren, ihren Hausstand, alles, was man so für den Alltag braucht. Und im Osten des Landes und in umkämpften Gebieten. Da tobt der Krieg, da toben die Angriffe, da ist die Situation noch mal mehr bedrückend."

Wie ist denn Ihr Eindruck von den Menschen, gerade den Kindern, die sie bislang getroffen haben? Leben die in ständiger Angst und Sorge?

Es ist ein Teil ihres Lebens, ihrer Realität geworden. Man macht das Beste daraus und versucht seinen Alltag zu bewältigen. Aber gleichzeitig sind viele Menschen und besonders die Kinder natürlich von den Geschehnissen traumatisiert und leiden darunter, wenn sie geflohen sind oder wenn ihre Häuser und Wohnungen nicht mehr existieren, wenn ihre Familienmitglieder entweder an der Front sind oder Opfer des Krieges geworden sind. Das ist extrem belastend und hier sehen wir noch großen Bedarf.

Im Sozialzentrum der SOS-Kinderdörfer in Lviv finden Kinder Betreuung und Aktivitäten, die ihnen gut tun. Foto: Katerina Ptakha

Wenn dieser Krieg eines Tages vorbei sein sollte, die Erinnerungen, das Erlebte wird ja bleiben … und die Menschen ein Leben lang begleiten …

Das wird nicht nur diese Kinder und diese Frauen ein Leben lang begleiten. Unsere Erfahrung ist, dass sich solche traumatisierenden Erlebnisse über mehrere Generationen ziehen. Dass die Kinder und Enkel immer noch davon betroffen sein werden. Wir versuchen, viel dagegen zu tun, indem wir diese Kinder, diese Frauen, die zurückgeblieben sind, begleiten, ihnen soziale Angebote machen, sie mit dem Nötigsten ausstatten, aber auch mit einer psychologischen und sozialen Betreuung. Das ist wichtig, unabdingbar, damit wir in der Zukunft auch auf eine Generation zurückblicken können, die diese Erlebnisse auch überwinden kann.

Beratung und psychologische Hilfe unterstützt Mütter, deren Leben durch Krieg, und Flucht zerstört wurde. Foto: Oleksandra Zborovska

Vor wenigen Tagen haben die SOS-Kinderdörfer ein weiteres Sozialzentrum in der Ukraine in der Nähe von Kiew eröffnet. Was wird da genau gemacht, was bieten Sie den Menschen dort an Hilfe?

Das Sozialzentrum der SOS-Kinderdörfer, das wir eröffnet haben, liegt in der Region Borodianka, die stark vom Krieg betroffen wurde. Hier betreuen wir in erster Linie Frauen – Mütter, Großmütter und deren Kinder – und bieten ihnen Hilfsgüter und materielle Hilfe an. Das können Nahrungsmittel sein, das können im Winter - darauf bereiten wir uns vor – Decken oder ein warmer Platz sein. Aber wir bieten Ihnen auch ein Zentrum, in dem sie zusammenkommen können, wo sie sich waschen können, in dem Sie auch mal zum Friseur gehen können. HIer können Sie aber auch Termine mit Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen vereinbaren, um ihre eigene Situation besprechen und verbessern zu können. Wir sehen, dass der Bedarf enorm ist. Wir sehen die Dankbarkeit dieser Menschen aber auch ein Stück weit die Hoffnung, dass wir aus diesem Standort heraus neben der akuten Nothilfe etwas wie Rehabilitation und den Wiederaufbau des Landes werden begleiten können, wenn es hoffentlich endlich wieder Frieden geben wird.

 

Kindern und Familien helfen!

Geben Sie ukrainischen Kindern und Familien ein vorübergehendes Zuhause, medizinische und psychologische Hilfe und Unterstützung im schwierigen Alltag. Helfen Sie mit!

 

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu aktuellen Projekten.

Ihre Spende an die SOS-Kinderdörfer weltweit können Sie von der Steuer absetzen. Die SOS-Kinderdörfer weltweit sind als eingetragene gemeinnützige Organisation anerkannt und von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit. (Steuernummer 143/221/91910)