"Meine Mutter und mein Vater ..." Oleg* (13) stockt, als er von seinen Eltern erzählt. "Mein Vater ist ein Trinker", fährt er fort. "Und meine Mutter war auch eine Alkoholikerin. Sie ist an Weihnachten vor drei Jahren gestorben." Sie kam betrunken von der Bescherung und schlief draußen ein, im eisigen russischen Winter. "Sie ist erfroren", sagt Oleg. "Mein Vater ...", redet er schnell weiter - und wieder stockt der blonde Junge. Was auch immer Oleg sagen will, er kann es nicht. Ist sein Vater vor Kummer zerbrochen? Hat er sein Kind im Suff geprügelt? Oleg wiederholt nur: "Mein Vater ist ein Trinker." Die Alkoholsucht seiner Eltern ist der Grund, warum Oleg vor fünf Jahren ins SOS-Kinderdorf Puschkin bei St. Petersburg kam. Dort ist der blonde Junge aufgeblüht.
Alkoholismus in Russland
Alkoholismus ist in Russland ein großes Problem: Schätzungsweise jeder fünfte Russe ist Alkoholiker. Jedes Jahr trinken sich 40.000 Menschen zu Tode. Etwa 700.000 Menschen sterben dort jährlich, weil ein Betrunkener sich ans Steuer eines Autos setzt oder eine Schlägerei anfängt. So weit die Statistik. Dahinter stehen Schicksale wie das von Oleg.
"Als ich ins Kinderdorf kam, hatte ich die Wahl, meine Kinderdorfmutter beim Vornamen zu nennen oder 'Mutter' zu ihr zu sagen", erzählt Oleg. "Ich weiß nicht, warum, aber ich habe sie von Anfang an Mama genannt, und das mache ich immer noch." Es sind Sätze wie diese, die erahnen lassen, wie sehr der Junge sich damals nach Geborgenheit sehnte. Die hat er im Kinderdorf gefunden. "Ich bin hier glücklich", sagt er. "Ich habe hier ein Zuhause - und das ist das Wichtigste im Leben!"
Oleg will ein anderes Leben als seine Eltern führen. Er ist ein sehr verantwortungsbewusster Mensch. "Wenn er eine Aufgabe übernimmt, dann kann man sich auf ihn verlassen", sagt ein Sozialpädagoge. So sitzt Oleg im Kinder-Rat des Dorfs. Die Kinder können dort mitentscheiden, wann zum Beispiel ein Disko-Abend stattfindet. Oft wünschen sich die Pädagogen jedoch, dass mehr Kinder am Rat teilnehmen würden. "Vielleicht sind viele zu bequem", sagt Oleg. "Ich bin auch oft bequem. Aber wenn ich etwas will, dann engagiere ich mich eben."
Oleg hilft auch den jüngeren Kindern bei den Schularbeiten und gibt ihnen Nachhilfe. Lehrer will er allerdings später nicht werden. "Ich will mich mit Computern gut auskennen - und dann werden wir sehen." Vielleicht wird Oleg ja auch Tierarzt. "Ich liebe Hunde", sagt der sensible Junge. "Ich denke, sie sind sehr klug, und ich glaube sie verstehen mich - das sehe ich an ihren Augen, wenn ich zu ihnen spreche."
* Name von der Redaktion geändert
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