Kinderschutzverletzungen in Asien
Vorwürfe gegen Helmut Kutin / SOS-Kinderdörfer weltweit fordern vollständige Aufklärung
(Stand: 29.10.2025)
In den vergangenen Wochen hat der Länderverein SOS-Kinderdorf Österreich über zurückliegende Missbrauchsfälle an österreichischen Standorten von SOS-Kinderdorf informiert. Auch gegen Hermann Gmeiner, Gründer der SOS-Kinderdörfer, sind schwere Anschuldigungen bekannt geworden. Aufgrund der intransparenten Kommunikation und offener Fragen in diesem Zusammenhang hat der Aufsichtsrat der Föderation der SOS-Kinderdörfer am 23. Oktober 2025 beschlossen, den Verein SOS-Kinderdorf Österreich mit sofortiger Wirkung zu suspendieren. Der deutsche Länderverein SOS-Kinderdörfer weltweit steht uneingeschränkt hinter dieser Entscheidung.
Nun berichten die Medien über Erkenntnisse zu einem Fall, der bereits 2022 öffentlich gemacht wurde. Ein (inzwischen verstorbener) Spender aus Österreich hatte zwischen 2010 und 2014 Minderjährige in einem SOS-Kinderdorf in Nepal missbraucht. Laut aktuellen Medienberichten sollen der langjährige Leiter der SOS-Kinderdörfer, Helmut Kutin, sowie der langjährige Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf Österreich, Christian Moser, jahrelang von den Anschuldigungen gewusst haben und untätig geblieben sein.
Wir, der deutsche Förderverein SOS-Kinderdörfer weltweit mit Sitz in München, fordern erneut und mit Nachdruck eine vollständige Aufklärung durch SOS-Kinderdorf Österreich.
Wir haben 2022 durch unsere Dachorganisation von den Vorwürfen gegen den Spender erfahren. Im Rahmen von Untersuchungen durch die "Independent Special Commission" (ISC), die im Auftrag unserer Dachorganisation vergangenen Kinderschutzvorfällen nachgegangen ist, wurde auch der Fall in Nepal untersucht. Wir haben daraufhin unter anderen auf unserer Webseite (siehe unten) informiert. Die im Raum stehenden Vorwürfe schockieren uns zutiefst. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen, die Leid erfahren haben.
Die ISC hat ihre Erkenntnisse zu dem Fall in ihrem 2023 erschienenen Abschlussbericht kommuniziert. Der Bericht ist auf unserer Website einsehbar. Im Zuge ihrer Untersuchung hat die ISC auch Fehlverhalten durch Helmut Kutin festgestellt. Auf dieser Grundlage hat der Verein SOS-Kinderdörfer weltweit am 19.10.2023 ein Ausschlussverfahren gegen Helmut Kutin eingeleitet. Am 7.11.2023 wurde der Ausschluss durch den Aufsichtsrat beschlossen, zugleich wurde Helmut Kutin die Ehrenpräsidentschaft entzogen. Parallel dazu fanden fortgesetzte Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden statt und die Staatsanwaltschaft hat erste Ermittlungen aufgenommen. Aufgrund der laufenden Untersuchungen war es uns nicht möglich, öffentlich zu berichten. Mit dem Tod Helmut Kutins im April 2024 wurde das Verfahren eingestellt, ohne dass die Vorwürfe abschließend geklärt werden konnten.
Wir haben unmittelbar Aufklärung durch den Länderverein SOS-Kinderdorf Österreich verlangt. Im Auftrag von SOS-Kinderdorf Österreich war auch die Independent Childprotection Commission (ICC) im Rahmen externer Überprüfungen von Kinderschutzvorfällen mit dem Fall beschäftigt.
Statement vom Januar 2023
Wir haben durch einen Bericht von SOS-Kinderdorf International Kenntnis von sehr ernst zu nehmenden Vorwürfen erhalten. Ein (inzwischen verstorbener) österreichischer Spender soll zwischen 2010 und 2014 Minderjährige in einem asiatischen SOS-Kinderdorf zu sexuellen Handlungen gezwungen haben.
Wir sind tief erschüttert, dass Kinder in der Obhut von SOS-Kinderdorf durch einen Spender zu Schaden gekommen sind. Im Namen der SOS-Kinderdörfer bitten wir die betroffenen Kinder und Jugendlichen um Verzeihung. Wir verurteilen jede Art von Missbrauch und Fehlverhalten gegenüber Kindern aufs Schärfste. Jedes einzelne der gewaltbesetzten Verhalten ist eines zu viel, nichts kann solche Vergehen entschuldigen oder rechtfertigen.
Unsere erste und oberste Priorität gilt immer der Hilfe für und dem Schutz der Opfer. Deswegen tun wir alles in unserer Macht Stehende, um die heute jungen Erwachsenen zu begleiten und stellen den Betroffenen eine umfassende psychologische und materielle Unterstützung zur Verfügung.
Wir setzen alles daran, für eine vollständige Aufklärung zu sorgen und prüfen intensiv, wie es dazu kommen konnte, dass unsere strengen Kinderschutz-Richtlinien umgangen wurden. Derzeit können wir bestätigen: Die beschuldigte Person ist zwischen 2010 und 2014 mehrmals in ein asiatisches Kinderdorf gereist, welches durch seine Spenden mitfinanziert wurden. 2021 hat eine ehemals bei SOS-Kinderdorf beschäftigte Person über das Whistleblowing-System von SOS-Kinderdorf International die Vorwürfe gemeldet. Diese wurden inzwischen durch eine Untersuchung im betroffenen Land bestätigt. Wir sind sehr dankbar für den Mut, sich an uns zu wenden und für das Vertrauen in unsere Organisation.
SOS-Kinderdorf Österreich hat sofort rechtliche Schritte eingeleitet und Strafanzeige in Österreich erstattet sowie der betroffenen Länderorganisation umfangreiche Unterstützung bei der Aufarbeitung zugesagt. Nachdem der Spender Ende August 2022 verstorben ist, wurden die polizeilichen Ermittlungen in Österreich eingestellt. Zudem hat SOS-Kinderdorf Österreich eine externe Untersuchung einberufen. Diese prüft, inwieweit seitens SOS-Kinderdorf Österreich Fehler gemacht wurden, welche Konsequenzen zu ziehen und welche Lernfelder zu entwickeln sind. Diese Aufgaben wurden von der unabhängigen Independent Childprotection Commission (ICC) übernommen.
Eine umfassende Aufarbeitung dieses Falles bedeutet auch ein kritisches Hinterfragen des Umgangs mit Spender:innen bei den Ländervereinen des SOS-Kinderdorfs. Deswegen hat SOS-Kinderdorf Österreich einen umfassenden, extern begleiteten Reflexionsprozess gestartet, um Kinderschutz-Risiken auch abseits der pädagogischen Arbeit mit Kindern schneller zu erkennen. Im Zuge dessen werden unter anderem die Leitfäden für Besuche von SOS-Kinderdorf-Einrichtungen weiterentwickelt und es wird evaluiert, welche Schulungen und Austauschformate es braucht, um die Richtlinien im Alltag auch zu leben.
Wir setzen uns weltweit dafür ein, dass Kinder mit den Bindungen aufwachsen können, die sie brauchen, um sich zu entwickeln und ihr bestes Selbst zu werden. Wenn ein Kind nicht bei seiner Herkunftsfamilie bleiben kann, versuchen wir immer sicherzustellen, dass die angebotene Unterstützung im besten Interesse des Kindes ist. Wir treten für die Rechte jedes Kindes ein und setzen uns für Veränderungen ein, damit alle Kinder in einem für sie förderlichen Umfeld aufwachsen können. Unsere Arbeit orientiert sich an der UN-Konvention über die Rechte des Kindes und den UN-Richtlinien für die alternative Betreuung von Kindern.