Im Gespräch mit einer Ombudsfrau

Um den Kinderschutz in ihren Programmen weiter zu verbessern, planen die SOS-Kinderdörfer, ein weltweites Ombudspersonen-System zu etablieren. In Ländern wie Österreich hat die Organisation dies bereits vor Jahren erfolgreich eingeführt. Die Psychologin Karin Flenreiss-Frankl ist eine von drei österreichischen Ombudspersonen, die für die SOS-Kinderdörfer tätig sind. Im Interview spricht sie über die Aufgaben und Herausforderungen ihres Amtes.

Als Ombudsfrau für die SOS-Kinderdörfer macht Karin Flenreiss-Frankl vor allem eines: Zuhören. Foto: Gerhard Flenreiss

Frau Flenreiss-Frankl, was ist Ihre Aufgabe als Ombudsfrau?

Ich sehe mich als unabhängige externe Anlaufstelle. Die Menschen werden von SOS-Kinderdorf oder auch von der staatlichen Ombudsstelle an mich verwiesen. Menschen kommen zu mir mit Gewalt- oder Missbrauchsvorwürfen. Meine Aufgabe ist es, ihnen zuzuhören. Das ist für sie sehr wichtig. Ich frage sie auch danach, wie ihr Leben beeinträchtigt wurde. Die Menschen kommen mit einer Last und ich sehe mich als eine Art "Mülleimer", in den sie ihre Vergangenheit werfen können. Anschließend schreibe ich einen Bericht, der von der "Schutzkommission für Betroffene" von SOS-Kinderdorf Österreich geprüft wird. Die Kommission entscheidet auf Basis meiner Empfehlung über die geeignete Unterstützung.

Was erwarten die Betroffenen von den SOS-Kinderdörfern?

Das ist eine zentrale Frage, und ich bekomme sehr unterschiedliche Antworten. Manche erwarten eine finanzielle Entschädigung, andere sagen, dass Geld nicht das Wichtigste ist, sondern, dass sie lieber eine aufrichtige Entschuldigung hätten. Andere sind sehr konkret mit ihrem Wunsch, Unterstützung für ihre Heilung zu bekommen, zum Beispiel durch eine Therapie. 

Wie oft wurden Sie bislang kontaktiert?

Ich habe bis heute zwischen 10 und 15 Personen getroffen. Davon war nur eine noch aktuell in der Obhut der SOS-Kinderdörfer. Die meisten waren zwischen 40 und 60 Jahre alt.

Was macht eine gute Ombudsperson aus?

Ich denke, am wichtigsten ist es, neutral zu bleiben und sich an die Fakten zu halten. Es hilft auch, einen Hintergrund im Opferschutz zu haben. Ich habe zum Beispiel bei einer Organisation gearbeitet, die Betroffenen von Straftaten mit professioneller Beratung und Unterstützung hilft.

Lässt sich das österreichische Ombudsstellen-System auf andere Länder übertragen?

Das Grundgerüst in Österreich ist gut. Gleichzeitig muss es, wie alles andere, kontinuierlich erneuert und verbessert werden. In anderen Ländern spielen unterschiedliche kulturelle Hintergründe eine Rolle, wenn es um den Umgang mit Gewalt und Missbrauch geht. Deshalb wäre es zu einfach, das österreichische System zu duplizieren. Sinnvoller ist es, die Qualität bestehender Systeme, falls es sie gibt, zu festigen und zu verbessern. Die SOS-Kinderdörfer sollten einen universellen Rahmen schaffen, in den länderspezifische Besonderheiten, wo es angebracht ist, mit einfließen.

Ist es auch Teil Ihrer Rolle, Verbesserungsvorschläge für das Ombudsstellen-System einzubringen?

Ja, ich gebe gerne Feedback, und SOS-Kinderdorf Österreich ist sehr daran interessiert, Evaluierungen durchzuführen, um das System weiter zu verbessern.

"Es geht mir bei dem Amt nicht nur um einen rückwirkenden Effekt, sondern auch darum, ein Umdenken innerhalb der Organisation zu bewirken."

Ist es möglich, unabhängig zu bleiben, wenn man jahrelang für dieselbe Organisation arbeitet?

Unabhängig zu sein, lernt man durch den Job. Ich schreibe jeden Tag mehrere Berichte und Stellungnahmen, die von mir verlangen, sachlich und unabhängig zu bleiben, ohne Partei zu ergreifen. SOS-Kinderdorf Österreich macht mir das leicht: Ich erlebe nie Widerstände. Ich habe nie den Eindruck, dass Themen unter den Teppich gekehrt werden. Trotzdem denke ich, dass es gut wäre, alle fünf bis zehn Jahre über einen Wechsel der Ombudspersonen nachzudenken.

Zu Ihnen kommen Kinder oder Jugendliche erst, wenn bereits etwas passiert ist. Hilft ihre Arbeit trotzdem auch, den Schutz von Kindern zu verbessern?

Das hoffe ich sehr! Es geht mir bei dem Amt nicht nur um einen rückwirkenden Effekt, sondern auch darum, ein Umdenken innerhalb der Organisation zu bewirken. Es ist auch gut, wenn die Menschen, die mit den Kindern arbeiten, wissen, dass es eine externe Anlaufstelle gibt, an die sich die Kinder wenden können, wenn sie sich intern nicht gehört fühlen. Das kann sich präventiv und langfristig positiv auf die Kinder- und Jugendhilfe auswirken.

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