Viele der Mädchen und Jungen im SOS-Kinderdorf Bethlehem haben psychische Traumata erlitten. Psychologin Eman Hamdan erzählt von ihrer Arbeit.
Eman arbeitet seit Ende Mai 2022 im SOS-Kinderdorf Bethlehem. Zuvor gab es dort keine Psychologin: Bis Emans Stelle neu geschaffen wurde, unterstützten drei Sozialarbeiter:innen die Kinder psychosozial. Doch weil so viele der Mädchen und Jungen therapeutischen Beistand benötigen, war die Einstellung einer Psychologin eine Notwendigkeit.
Konzentrationsstörungen, Angstzustände, Depressionen
Die meisten der Mädchen und Jungen kamen ins SOS-Kinderdorf, nachdem sie Vernachlässigung, Missbrauch oder den Verlust ihrer Eltern erlitten hatten. Als Eman im SOS-Kinderdorf anfing, untersuchte sie zunächst alle Kinder auf ihre psychische Gesundheit. Das Ergebnis der Untersuchung zeigte: Die meisten litten unter Angstzuständen, Schlafproblemen, Wut und aggressivem Verhalten, Depressionen oder Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen.
Die eigenen Gefühle verstehen und ausdrücken
"Um einen geeigneten Behandlungsplan für ein Kind zu entwickeln, müssen wir zunächst die Art und Ursache dieser Symptome verstehen", sagt Eman. "Viele der Kinder mussten schon früh Verlust und traumatische Erfahrungen erleiden, und viele von ihnen waren in verschiedenen Waisenhäusern, wo sie keine Gelegenheit hatten, eine sichere Beziehung zu einer festen elterlichen Bezugsperson aufzubauen. Das kann zur Folge haben, dass sie sich nicht sicher genug fühlen, um gesunde Beziehungen zu anderen aufzubauen, und es kann ihnen schwerfallen, ihre eigenen Gefühle zu verstehen und darüber zu sprechen."
Eman bietet den Kindern psychologischen Beistand – von dem Moment an, in dem sie ins SOS-Kinderdorf kommen, ist sie für sie da. Die Psychologin sagt: "Es ist sehr wichtig, dass sie lernen, ihre Gefühle zu erkennen und auszudrücken. Nur so können sie lernen, mit diesen Gefühlen auf positive Weise umzugehen. Die Körpersprache ist oft die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken. Deshalb sehen wir viele Kinder, die unter Kommunikations- und Aufmerksamkeitsproblemen leiden. Kinder neigen zu aggressiven Verhaltensweisen, um ihren Gefühlen Luft zu machen.“
Die psychologische Intervention hilft den Kindern, Vertrauen zu entwickeln, zu sich und zu anderen, und stärkt ihre Fähigkeit, die erlebten Traumata zu überwinden.
Umfassender Therapieansatz
Jedes Kind im SOS-Kinderdorf hat seinen eigenen Interventionsplan, der auf seine spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten ist, wie Eman erklärt. Alle Interventionspläne beruhen auf einem umfassenden Ansatz für die psychische Gesundheit. Zusätzlich zu den Einzel- und Gruppentherapiesitzungen, die den Kindern innerhalb des SOS-Kinderdorfes angeboten werden, ist es manchmal notwendig, die Kinder an einen anderen externen Spezialisten zu überweisen, z. B. für Psychiatrie, Ergotherapie, Logopädie, sensomotorische Aktivitäten und andere Freizeitaktivitäten.
Gemeinsame Aktivitäten mit Kindern außerhalb des SOS-Kinderdorfes sind ebenfalls wichtig für die Entwicklung der Kinder. Dort lernen sie Selbstvertrauen und wie sie sich in die Gesellschaft integrieren können. "Es macht einen großen Unterschied, wenn die Kinder merken, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind; sie lernen von Gleichaltrigen, wie sie mit Herausforderungen umgehen oder wie sie Entscheidungen treffen und reagieren", sagt Eman.
Kindern wieder Halt geben
Die Kinder kommen gerne zu den Therapiesitzungen und zum Kinderschutzzentrum im SOS-Kinderdorf Bethlehem, sie genießen dort die angebotenen Aktivitäten. Das gilt besonders für Kinder, die ein Trauma erlebt haben, die nicht mehr wissen, wie man spielt, und die einen sicheren Raum brauchen, um wieder zu lernen, wie man spielt. Oberste Priorität ist es, den Kindern ein normales Leben zu ermöglichen. Damit Kinder überleben können, brauchen sie innere Stabilität. Nur dann können sie mit den vielen Unsicherheiten in ihrem Umfeld zurechtkommen.