Kinderehen: Rückschläge und Erfolge im Kampf gegen Zwangsheirat

Weltweit leben derzeit 640 Millionen Mädchen und Frauen, die im Kindesalter verheiratet wurden. In den vergangenen Jahrzehnten konnten Millionen Kinderehen verhindert werden. Doch die Folgen der Corona-Pandemie, Konflikte sowie der Klimawandel verlangsamen die Fortschritte: Da Armut und Not aufgrund globaler Krisen zunehmen, steigt auch die Zahl der Kinderehen in mehreren Ländern wieder an.

Die meisten Mädchen werden in Südasien und Subsahara-Afrika verheiratet. FotoBjørn-Owe Holmberg

Zwangsheirat: Rund 12 Millionen Mädchen jährlich

  • Jedes Jahr werden, so Schätzung von UNICEF, 12 Millionen Mädchen unter 18 Jahren verheiratet.

  • Weltweit gibt es aktuell rund 640 Millionen Zwangsverheiratete: Eine von fünf Frauen zwischen 20 und 24 Jahren wurde als Kind in eine Ehe gezwungen.

  • In den vergangenen 25 Jahren konnten rund 68 Millionen Kinderehen verhindert werden.  Besonders groß sind die Fortschritte in Indien, Bangladesch und Pakistan. Dennoch schätzen Expert:innen, dass alleine die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie zu 10 Millionen zusätzlichen Kinderehen führen.

  • Besonders dramatisch sind die Prognosen für Subsahara-Afrika – dort rechnen Experten bis 2030 mit einem kontinuierlichen Anstieg.

Die Kinderehe gehört zu den schlimmsten Kinderrechtsverletzungen. Sie verstößt in vieler Hinsicht gegen die UN-Kinderrechtskonvention - gegen das Recht des Kindes auf Mitbestimmung, das Recht auf Gewaltfreiheit und gegen sexuelle Ausbeutung. Die Frühverheiratung hat schwerwiegende Folgen für das ganze Leben der Mädchen.
 

Kinderehe und Zwangsheirat: Definition

Die Kinderehe ist eine Form der Zwangsheirat. Die Definition von Kinderehe ist, dass einer der beiden Partner unter 18 Jahre alt ist.

Von einer Zwangsheirat spricht man, wenn sie gegen den Willen eines oder beider Partner erfolgt, unabhängig von ihrer Volljährigkeit. In der Regel sind es die Mädchen, die frühverheiratet werden. Es gibt aber auch Zwangsverheiratung bei Jungen.

 

 

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Zwangsheirat: Folge und Ursache von Armut

Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Armut, unzureichenden Bildungschancen und Zwangsheirat. Da, wo die Not am größten ist, da, wo die Mädchen die schlechtesten Zukunftschancen haben, suchen die Familien in der frühen Ehe ihrer Kinder vermeintliche Sicherheit. Deshalb wirken sich Krisen und Kriege, die Pandemie und die Folgen des Klimawandels auch auf die Zahl der Kinderehen aus. Zugleich hindert die Heirat die Mädchen daran, Bildung zu erlangen und festigt damit wieder Armutsstrukturen.

Weniger Frühverheiratung vor allem in Südasien

In den vergangenen 25 Jahren konnten rund 68 Millionen Kinderehen verhindert werden, von 2012 bis 2022 ist der Anteil junger Frauen (20 bis 24 Jahre), die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden, von 23 Prozent auf 19 Prozent gesunken. Für diesen globalen Trend sind vor allem die Fortschritte in Südasien verantwortlich. In zehn Jahren (2012 bis 2022) konnte der Anteil der zwangsverheirateten jungen Frauen fast halbiert werden, er sank von 46 Prozent auf 26 Prozent, vor allem in Indien, aber auch in Bangladesch und Pakistan ging die Zahl der Betroffenen zurück. Expert:innen führen diese Erfolge auf gezielte Aufklärung und bessere Bildungschancen zurück. Die Zahlen zeigen aber auch deutlich, dass von dem positiven Trend vor allem Mädchen aus wirtschaftlich besser gestellten Familien profitieren. Trotz der Fortschritte leben immer noch 45 Prozent aller Frühverheirateten in Südasien, ein Drittel aller Betroffenen in Indien. 

Anstieg der Kinderehen in Subsahara-Afrika

In anderen Regionen der Welt, zum Beispiel in Lateinamerika und der Karibik, stagnieren die Zahlen in den vergangenen 25 Jahren, Kinderehen sind dort vor allem unter den Ärmsten verbreitet. Eine steigende Zahl an Kinderehen prognostizieren die Expert:innen vor allem für Subsahara-Afrika - sowohl in absoluten Zahlen, als auch was den Anteil an den weltweit Betroffenen angeht. Schon jetzt leben dort 20 Prozent der frühverheirateten Mädchen, bei den  jüngst verheirateten Mädchen sind bereits 35 Prozent aus dieser Region, bis 2030 wird der Anteil laut Schätzungen auf 41 Prozent steigen. Stark betroffene Länder sind Äthiopien, Nigeria und die Zentralafrikanischen Republik. 

10 Millionen mehr Kinderehen durch die Pandemie

Die Gründe für diesen Anstiege sind politisch Konflikte, Folgen des Klimawandels und die immer noch anhaltenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Fachleute befürchten, dass alleine die Pandemie langfristig zu mehr als 10 Millionen zusätzlichen Kinderehen führt. Die wirtschaftlichen Belastungen für die Familien, Schulschließungen, der Tod der Eltern  - all das bereitet den Boden für Kinderehen. Aus Uganda zum Beispiel, wo die Schulen besonders lange geschlossen waren, berichtet Lilian Ssengooba, Verantwortliche für Programmentwicklung der SOS-Kinderdörfer in Uganda: "Viele junge Mädchen sind inzwischen von ihren Familien verheiratet worden oder sie sind schwanger."

Krisen wie zum Beispiel in Äthiopien haben verheerende Auswirkungen für die Mädchen. Zurzeit sind vorn dort keine gesicherten Datenerhebungen möglich, Expert:innen rechnen aber vor, dass jedes Jahr Krieg die Abschaffung von Kinderehen um vier Jahre zurückwirft und den Anteil der betroffenen Mädchen um 15 Prozent erhöht. Die Dürre im Land verschärft die Lage noch zusätzlich.  

Pakistan hat die Zahl der Kinderehen in den vergangenen zwei Jahrzehnten halbiert. Extreme  Überschwemmungen wie im Jahr 2022 werden laut Prognosen die Kinderheiratsrate um 18 Prozent ansteigen lassen. 

Die Folgen von Frühverheiratung

Die Zwangsverheiratung im Kindesalter hat schwerwiegende unmittelbare und langfristige Folgen für die betroffenen Mädchen und Jungen. Die Mädchen sind sowohl einer höheren Gefahr ausgesetzt, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden, als auch von häuslicher und sexueller Gewalt. Sie werden oftmals von ihren Familien isoliert. Es ist wahrscheinlicher, dass die Mädchen der Schule fernbleiben und dass sie früh und ungewollt schwanger werden. Frühschwangerschaften bergen laut WHO nicht nur gesundheitliche Risiken für die jungen Mütter, sondern auch für deren Kinder. Die Folgen der Frühverheiratung setzen sich so auch in die nächste Generation fort, denn die Kinder dieser jungen Mütter haben wieder schlechtere Bildungschancen. 

Die Vereinten Nationen haben die Beendigung der Kinderehe bis 2030 in ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) aufgenommen – laut den aktuellsten Prognosen müssen die Fortschritte aber 20-mal schneller gehen, um dieses Ziel zur erreichen. Armutsbekämpfung und gezielte Unterstützung Familien und Mädchen sind der Weg zu weniger Kinderehen. 

So kämpfen wir gegen Zwangsheirat

Die SOS-Kinderdörfer setzen sich dafür ein, dass Kinderheirat weltweit verboten wird. Die Gesetzeslage ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. So ist es zum Beispiel im Iran legal, Mädchen ab 13 Jahren zu verheiraten, Jungen ab 15. Indonesien hat 2019 die Kinderheirat verboten, die Phillipen haben 2022 ein Gesetz gegen Kinderheirat verabschiedet. 

Aber Gesetze alleine reichen nicht – der Kampf gegen Zwangsheirat ist immer ein Kampf gegen Armut und Hunger und ein Kampf für Bildung und Aufklärung. Die SOS Kinderdörfer setzen sich weltweit fürMädchenbildung, Kinderrechte und die Stärkung von Familien ein. Indem wir Armut bekämpfen, bekämpfen wir auch Kinderheirat. 

 

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Quellen:  

https://childmarriagedata.org/global-trends/#where-dataviz 

https://data.unicef.org/resources/is-an-end-to-child-marriage-within-reach/ 

https://childmarriagedata.org/ 

https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/adolescent-pregnancy 

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