"Fremdunterbringung" - ein Fachbegriff, der die traurige Tatsache umschreibt, dass Kinder nicht bei ihren Eltern leben können und deswegen auf eine alternative Betreuung angewiesen sind. Wie kann diese alternative Lösung mehr sein als eine bloße Unterbringungs- und Verpflegungsstation? Was ist erforderlich, damit Kinder und Jugendliche diesen Ersatz als echtes Zuhause erfahren können? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das europäische Kinderrechte-Projekt "Quality4Children", das die SOS-Kinderdörfer mit initiiert haben. Ziel ist es, gesamteuropäische Qualitätsstandards für die Fremdbetreuung von Kindern zu erarbeiten und deren Rechte zu stärken.
Die SOS-Kinderdörfer haben das ambitionierte Projekt vor zweieinhalb Jahren zusammen mit IFCO (International Foster Care Organisation) und FICE (Fédération Internationale des Communautés Educatives) gestartet. "Quality4Children" basiert ganz wesentlich auf den
Erfahrungen der Betroffenen: in erster Linie von Kindern und Jugendlichen sowie von Eltern, Pflegeeltern, Sozialarbeitern, Betreuern, Vertretern der Jugendwohlfahrt.
Ingesamt 320 Personen - darunter 159 Kinder und Jugendliche - wurden nach der Methode des "Storytelling" befragt. Auch bei der Auswertung und im Diskussionsprozess waren ein Drittel der Mitwirkenden Jugendliche und junge Erwachsene, die Erfahrungen mit Fremdunterbringung haben. Insgesamt waren 32 europäische Länder bei "Quality4Children" vertreten.
Jetzt kommt "Quality4Children" in die Schlussphase: An die 30 Qualitätsstandards sollen Anfang 2007 in ihrer endgültigen Fassung vorliegen. Noch vor der Verabschiedung der Standards haben bereits staatliche Stellen in Rumänien und Malta signalisiert, dass diese Richtlinien in die Gesetzgebung Eingang finden sollen.
Was fordern die Qualitätsstandards?
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Kinder sollen zum Beispiel an allen Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, beteiligt werden. Gemeinsam mit den Betreuern sollen Kinder und Jugendliche etwa überlegen, welche Schule sie besuchen oder wann und wie der Schritt in ein selbständiges Leben erfolgen soll. Dies, so wurde in den Befragungen deutlich, ist besonders wichtig, damit Fremdunterbringung nicht zur Fremdbestimmung wird.
- Die familiären, sozialen und kulturellen Bindungen der Kinder müssen soweit als möglich erhalten bleiben. Das bedeutet, dass Kinder und Jugendliche, wenn sie fremd untergebracht werden, möglichst in ihrem Heimatort bleiben sollen, um weiterhin dieselbe Schule besuchen und dieselben Freunde treffen zu können. Regelmäßiger Kontakt mit der biologischen Familie wird gefördert und professionell begleitet.
- Kinder mit speziellen Bedürfnissen, zum Beispiel mit Behinderung, müssen adäquate Betreuung erhalten. Das heißt: ihre Betreuer müssen entsprechend geschult sein und unterstützt werden.
Eine zentrale Aussage von "Quality4Children" lautet auch: Gesetzlich verbindliche Standards können Richtlinien vorgeben, letztlich geht es aber immer um individuelle Zugänge zu jedem einzelnen Kind und seine speziellen Bedürfnissen. Unabhängig von den drei Partnerorganisationen von Quality4Children, die die Q4C-Standards in ihrer eigenen Arbeit nutzen werden, gibt es in einigen europäischen Ländern konkrete Absichtserklärungen, die Q4C-Standards umzusetzen. So planen beispielsweise Jugendwohlfahrtsbehörden in der Schweiz, den Niederlanden und Malta, die Q4C-Standards als Handlungsrahmen für die Sicherung und Verbesserung der Betreuungsqualität zu nutzen.