Am 25. April 1949 gründete ein Kreis junger engagierter Frauen und Männer um den Medizinstudenten Hermann Gmeiner in Innsbruck die "Societas Socialis". Es war die Geburtsstunde der SOS-Kinderdörfer, die heute in mehr als 130 Ländern der Welt tätig sind und mehr als 1,5 Millionen Kinder und Erwachsene mit ihren Programmen unterstützen.
Die Idee entstand im Tirol der Nachkriegsjahre. Die vielen Kriegswaisen erschütterten den Bergbauernsohn und Medizinstudenten Hermann Gmeiner.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:16): "Ich habe eines Tages dieses Schicksal der Kinder nicht mehr ertragen und glaubte, es muss einen anderen Weg geben, diesen Kindern zu helfen. Es muss einen Weg geben, diese Kinder wieder hereinzuholen in die Gesellschaft, dieses Kind zu einem unsrigen zu machen."
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Er hatte selbst als 6-Jähriger den Tod seiner Mutter miterleben müssen und war als Halbwaise aufgewachsen. Es kann, so dachte sich Gmeiner, doch nicht angehen, dass all die Kinder in Waisenhäusern landen. "Kinder brauchen Familie" war sein Credo.
Hermann Gmeiner engagierte sich neben dem Studium immer stärker in der Jugendarbeit. Er wurde Leiter der Dekanatsjugend Innsbruck und lernte das große Elend vieler Kriegswaisen intensiv kennen.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:19): "Ich kam vom Krieg zurück, habe mein Medizinstudium in Innsbruck begonnen und erlebte vornehmlich in der Kinderklinik Kinder, die keine Eltern mehr hatten. Ich erlebte, wie es für diese Kinder eigentlich schicksalhaft keinen anderen Weg gab als es den ins Heim, den in die Anstalt."
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Leidenschaftlich diskutierten Gmeiner und seine Mitstreiter über Möglichkeiten, etwas Konkretes dagegen zu tun. Am 25. April 1949 fand die Gründungsversammlung des Vereines "Societas Socialis" in Innsbruck statt. Die Gründungsmitglieder wollten der drohenden Gefahr, die in der Schutzlosigkeit vieler Kinder liegt, nicht mit Worten, sondern mit Taten entgegentreten. Diese Haltung war Gmeiner stets wichtig: So wurde sein "Reds nit, tuats was!" zum Motor und Erfolgsgeheimnis der Arbeit der SOS-Kinderdörfer in den folgenden Jahren und Jahrzehnten.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:17): "Alle Wunder dieser Welt entstehen dadurch, dass einer mehr tut, als er tun muss. Und auch die Kinderdörfer sind so entstanden, indem dass Millionen Menschen begonnen haben, mehr zu tun, als man tun muss. Und über dieses mehr Tun geschehen die Wunder (Applaus am Ende)."
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In den nächsten Wochen und Monaten entwickelten Gmeiner und sein Team aus den ursprünglich breit angelegten Zielen der Societas Socialis die konkrete Idee für das erste SOS-Kinderdorf. Jedes verlassene, Not leidende Kind sollte wieder eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf haben, in dem es wie andere Kinder in Geborgenheit heranwachsen kann. Imst war die einzige von zehn Gemeinden, die auf ein Schreiben der SOS-Kinderdörfer reagierte und ein Grundstück für den Bau eines SOS-Kinderdorfes günstig zur Verfügung stellte.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:52): "Erstens wollen wir dem Kind wieder eine Mutter geben, ein für alle Mal eine Bezugsperson. Zweitens wollten wir dem Kind wieder Geschwister geben. In einer Kinderdorffamilie gibt es Große und Kleine, Buben und Mädchen in jedem Alter, so wie in einer anderen großen kinderreichen Familie. Das dritte Prinzip ist das Haus, dass wir dieser kleinen oder großen Familie nun ein eigenes Haus geben, mit einer eigenen Küche. Ein eigenes Haus, das hat es eigentlich bis damals nicht gegeben, dass man Waisenkindern ein eigenes Haus gegeben hat, wo sie daheim sind. Und dieses Haus wollten wir - viertens - hineinstellen in ein keines Dorf, wo es 15 oder 20 dieser Familienhäuser gibt - einen absehbaren, einen geborgenen Raum. Und von diesem Dorf gehen sie dann hinaus in die große Welt."
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Für den Start hatte Gmeiner persönlich ganze 600 Schilling zur Realisierung seiner Idee. Die eigentliche Basis stellte Mitstreiterin Maria Hofer mit dem Erlös eines Grundstückes in Igls (ca. 50.000 Schilling) zur Verfügung. Damit konnte Gmeiner das Grundstück kaufen und erste Spendenaufrufe und Werbeaktivitäten finanzieren. Da er von der öffentlichen Hand keine Mittel erhielt, wandte sich Gmeiner direkt an die Bevölkerung mit der Bitte um eine Spende von einem Schilling im Monat.
Mit seiner charismatischen Persönlichkeit und der Fähigkeit, Menschen zu begeistern, war Gmeiner sehr erfolgreich. Binnen kurzer Zeit erhielt er die nötigen Mittel für den Bau des ersten SOS-Kinderdorfes. Am 2. Dezember 1949 fand das Richtfest für das erste Familienhaus statt: Das Haus "Frieden".
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:14): "Alle Kinder dieser Welt sind unsere Kinder. An dem Tag, an dem wir voller Überzeugung sagen, dass alle Kinder unsere Kinder sind, beginnt der Friede auf Erden."
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Noch am selben Tag wurde der Spatenstich für den Bau von vier weiteren Häusern gefeiert. Am 28. Mai 1950 wurde die Societas Socialis bei der Generalversammlung in den Verein SOS-Kinderdorf übergeführt. 1951 konnten die ersten 40 Kriegswaisen aufgenommen werden. Das erste Kinderdorf in Deutschland wurde 1956 in Dießen am Ammersee gebaut. 1963 entstanden erste Kinderdörfer in Asien und Lateinamerika.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:08): " Die Idee des SOS-Kinderdorfes mit den vier Prinzipien ist eigentlich in aller Welt gültig."
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Heute, 70 Jahre später, spannen die SOS-Kinderdörfer ein humanitäres Netzwerk um die ganze Welt. SOS-Kinderdörfer und Einrichtungen wie Kindergärten, Jugendeinrichtungen, Schulen, Ausbildungs- und Sozialzentren, medizinische Zentren, Nothilfeprogramme existieren auf allen Kontinenten in insgesamt über 130 Ländern – von A wie Albanien bis V wie Vietnam. Derzeit gibt es weltweit 572 Kinderdörfer, 744 Jugendbetreuungsprogramme, 237 Kindergärten, 786 Sozialzentren und Programme für Familienhilfe, 70 medizinische Zentren und 38 Nothilfeprogramme sowie 185 Hermann-Gmeiner-Schulen und 104 Berufsausbildungszentren der SOS-Kinderdörfer. Im Schnitt wird ein Kind im SOS-Kinderdorf 17 Jahre lang begleitet.
Mit jedem betreuten Kind erreichen die SOS-Kinderdörfer weitere zehn Menschen in der Umgebung. Die Wirksamkeit der Arbeit lässt sich belegen. Pro eingesetztem Euro Spendengeld werden weltweit 6 Euro, in Afrika sogar 14 Euro Mehrwert für die jeweilige Gemeinde geschaffen.
Hermann Gmeiner (O-Ton-Audio 0:26): "Was wir den Kindern in der Dritten Welt geben können, ist eben eine gute Ausbildung, eine gute Schule. Wenn ich ihnen eine Handvoll Dollar gebe, ist das gleich wieder weg. Aber wenn ich ihnen eine gute Schule, eine gute Ausbildung gebe, dann ist das ein Kapital fürs Leben. Und das wollen wir unseren Kindern geben, dass sie eine gute Schule, Ausbildung haben, damit sie sich im Leben bewähren können."
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Gmeiner starb 65-jährig am 26. April 1986. In der Folgezeit intensivierten die SOS-Kinderdörfer die internationale Ausrichtung ihrer Arbeit. So wurden die Sozialzentren und die damit verbundene Hilfe für extrem arme Familien ausgebaut. Sinn dieser Programme ist es, Familien zu unterstützen bevor sie durch die Armut zerbrechen und Kinder so im Kinderdorf aufgenommen werden müssen. Bei der Familienhilfe geht es darum, durch Mikrokredite, Aus- und Fortbildungen, Familienpläne und vieles mehr Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Die Familienhilfe der SOS-Kinderdörfer konzentriert sich vor allem auf die Arbeit in den Slums dieser Welt und leistet so einen wichtigen Beitrag zu koordinierter Entwicklungshilfe und dem wirtschaftlichen Aufschwung ganzer Kommunen.
Wilfried Vyslozil (O-Ton-Audio 0:22): "Mit der Familienhilfe der SOS-Kinderdörfer unterstützen wir Familien in der Nachbarschaft der SOS-Kinderdörfer; also in den Slums der Umgebung. Ziel ist es, den armen Familien zu helfen, bevor sie im schlimmsten Fall auseinander brechen und die Kinder auf der Straße landen. Wir arbeiten hier präventiv. Unsere Angebote wie etwa Mikrokredite und Aus- und Fortbildungen sind sehr wichtige Hilfen zur Selbsthilfe."
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2019 betreut die private, kirchlich und politisch unabhängige Hilfsorganisation in den Kinderdörfern und Jugendeinrichtungen rund 80.000 Kinder. Rund 6000 SOS-Kinderdorf-Mütter kümmern sich weltweit um die Kinder und Heranwachsenden.
Beate Schmitt, SOS-Kinderdorf-Mutter Seekirchen (O-Ton-Audio 0:18): "Von allen sozialen Berufen, in denen man mit Kindern arbeiten kann, hat mit die Kinderdorf-Familie am besten gefallen, weil ich mich da mit meiner ganzen Person einbringen kann. Ich wollte gerne diesen Beruf, wo ich eben im Haus mit den Kindern lebe, sie dann auch wachsen sehe und sie auch mehrere Jahre begleiten kann.
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Über 22.000 Kinder gehen weltweit in die Kindergärten der Organisation. Die Hermann-Gmeiner-Schulen besuchen über 100.000 Kinder und Jugendliche, die Ausbildungszentren gut 30.000 junge Menschen. In den Sozialzentren der SOS-Kinderdörfer und der angegliederten Familienhilfe werden fast 100.000 Familien unterstützt. Hinzu kommen viele hunderttausende Kinder und Erwachsene, die in den medizinischen Zentren behandelt und im Rahmen der weltweit 40 Nothilfeprogramme versorgt werden. Insgesamt unterstützt die Organisation derzeit mehr als 1,5 Millionen Kinder und Erwachsene durch Hilfe in unterschiedlicher Ausprägung: Von der medizinischen oder humanitären Einmalhilfe bis über Mikrokredite und Aus- und Fortbildungen bis hin zur jahrzehntelangen Betreuung von Kindern bis ins Erwachsenenalter.
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SOS-Kinderdörfer weltweit (Kurzinformation)
1949 gründete Hermann Gmeiner das erste SOS-Kinderdorf der Welt in Imst in Tirol. Seine Idee: Jedes verlassene, Not leidende Kind sollte wieder eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf haben, in dem es wie andere Kinder in Geborgenheit heranwachsen kann. Aus diesen vier Prinzipien ist eine weltweite Organisation entstanden, die sich hauptsächlich über private Spenden finanziert.
In 572 SOS-Kinderdörfern in 135 Ländern (Stand 2019) finden die Kinder ein neues, sicheres Zuhause. Neben den SOS-Kinderdörfern gibt es zudem über 2.100 SOS-Zusatzeinrichtungen, wie Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Ausbildungs- und Sozialzentren, Krankenstationen, Nothilfeprojekte und SOS-Familienhilfe, die auch der armen Nachbarschaft der SOS-Kinderdörfer offen stehen.
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