Äthiopien: Jobs für junge Mütter

Eine qualifizierte Berufsausbildung und eine anständig bezahlte Arbeit – davon können viele junge Menschen in Äthiopien nur träumen. Das gilt vor allem für sozial benachteiligte junge Erwachsene und ganz besonders für junge Mütter. Um 10.000 jungen Frauen und Männern eine berufliche Perspektive zu eröffnen, starteten die SOS-Kinderdörfer in Äthiopien 2020 ein Ausbildungsprojekt. Maßgeblich für den Erfolg des Projekts war die Unterstützung arbeitssuchender junger Mütter bei der Kinderbetreuung.

Berufspraktische Ausbildung: Die Teilnehmenden des Ausbildungsprojekts konnten zwischen verschiedenen Angeboten wählen, von Schneiderei und Modedesign bis hin zu Mechatronik für E-Autos - Foto: SOS-Kinderdörfer

Nach Jahren des rasanten Aufschwungs ist die äthiopische Wirtschaft zuletzt ins Straucheln geraten. "Aufgrund einer Reihe von sich überlagernden Ursachen – wie der Krieg im Norden, Dürre oder die Folgen der COVID-Pandemie – ist eine große Zahl junger Menschen in Äthiopien von Arbeitslosigkeit betroffen", erklärt Anketse Birhanu, Projektkoordinator der SOS-Kinderdörfer in Addis Abeba.

Vor allem junge Frauen sind auf dem äthiopischen Arbeitsmarkt benachteiligt: Fast jede Dritte im Alter von 15 bis 29 Jahren ist weder in Ausbildung noch in Arbeit. Zum Vergleich: Bei jungen Männern liegt der Anteil bei einem Zehntel. Viele Berufstätige leben zudem in extremer Armut, obwohl sie eine Arbeit haben: Fast jeder fünfte erzielt ein Einkommen, das kaum zum Leben reicht. (Quelle: Internationale Arbeitsorganisation).

Ausbildungsprojekt mit starkem Partner

Das Ausbildungsprojekt der SOS-Kinderdörfer startete im März 2020. Ziel war es, 6.000 arbeitslose junge Erwachsene in Addis Abeba und 4.000 in Adama zu unterstützen. Dabei sollten insbesondere junge Frauen gefördert werden. Die erste Phase dauerte bis April 2024 und wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert – für ein Nachfolgeprojekt haben wir die Förderung beim BMZ bereits beantragt.

Die jungen Arbeitssuchenden nahmen zunächst an einem Training für den Berufseinstieg teil: Sie stärkten so ihre beruflichen Schlüsselqualifikationen, absolvierten ein Bewerbungstraining und erhielten Berufsberatung, um ihre persönlichen Ziele zu definieren.

Im zweiten Schritt entschieden sich die Teilnehmenden dann für eines der folgenden Module:

  • berufspraktische Ausbildung: Das Angebot reichte hier von handwerklichen Berufen, z. B. Friseurhandwerk, bis hin zu Hightech-Berufen wie Kfz-Mechatronik für E-Autos.
  • Praktikum: Die Teilnehmenden sammelten Praxiserfahrung in einem Unternehmen, mit dem Ziel, eine Anstellung zu finden. Training für Existenzgründende: Die Teilnehmenden lernten, wie sie ihr eigenes Business aufbauen, und erhielten Starthilfe, z. B. bei der Miete für ihr Geschäft.

"Ohne Kinderbetreuung hätte ich das Training nicht beginnen können. Zuvor war ich lange auf der Suche nach einem Job. Es gelang mir schließlich, eine Anstellung als Verkäuferin zu finden. Doch als der Arbeitgeber hörte, dass ich ein Baby habe, wollten sie mich nicht weiter beschäftigen. Sie sagten mir, dass Frauen mit Kindern viele Ausreden hätten, um nicht zur Arbeit zu kommen."

Kokebnesh A.*

Rechtzeitig gegensteuern

Als Schlüssel zum Erfolg erwies sich die laufende Evaluierung des Projekts. Das Team konnte dabei auf ein innovatives Tool zurückgreifen: die Programmdatenbank, die die SOS-Kinderdörfer bereits in über 100 Ländern eingeführt haben. In der Programmdatenbank werden die regelmäßig erhobenen Entwicklungsberichte von Programmund Projektteilnehmenden digital dokumentiert. Anonymisiert und unter Anwendung der EU-Datenschutzrichtlinien können die Entwicklungsberichte ausgewertet und für die Projektsteuerung genutzt werden.

"Seit etwa acht Monaten arbeite ich in einem Schönheitssalon. Ich verdiene jetzt Geld, kann meine Kinder in die Schule schicken und sie haben alles, was sie brauchen."

Makeda A.*

Die ersten Zwischenergebnisse beim Ausbildungsprojekt in Äthiopien zeigten:

  • Kaum mehr als ein Drittel (36 %) der Teilnehmenden am Programm waren junge Frauen.
  • Viele junge Mütter brachen das Ausbildungsprogramm vorzeitig ab.
  • Junge Eltern waren besonders von Arbeitslosigkeit betroffen.

"Die Monitoring-Berichte waren ein Weckruf für das Projektteam", sagt Lijalem Baileyegn, Programmleiter der SOS-Kinderdörfer in Addis Abeba. Um die Ursachen für die geringe Beteiligung junger Frauen zu ermitteln, wurden die Teilnehmenden befragt und Gruppendiskussionen geführt. Dabei zeigte sich: "Die größte Herausforderung für die jungen Mütter war die fehlende Unterstützung bei der Betreuung ihrer Babys während des Ausbildungsprojekts", so Baileyegn weiter. Die Kinderbetreuungskosten selbst zu tragen, war für junge Mütter aus armen Familien unmöglich. Die Teilnehmerinnen waren daher gezwungen, ihre Kinder etwa bei Nachbarinnen zu lassen – und falls dies nicht oder nur unregelmäßig möglich war, die Fortbildung abzubrechen. Also begann das Projektteam gegenzusteuern: Ab März 2022 erhielten teilnehmende junge Mütter finanzielle Unterstützung für die Betreuung ihrer Kinder in Tagesstätten.

Der Erfolg stellte sich schnell ein:

  • Die Abbruchquote ging stark zurück. Keine der Teilnehmerinnen gab in der Folgezeit an, das Programm wegen fehlender Kinderbetreuung abbrechen zu müssen.
  • Bis Ende 2022 stieg der Anteil junger Frauen im Ausbildungsprogramm auf knapp die Hälfte (47 %).

"Durch die Unterstützung bei der Kinderbetreuung werden wir unserer Verantwortung für den Kinderschutz gerecht", betont Baileyegn. Denn so ist sichergestellt, dass junge Mütter ihre Töchter und Söhne in einem sicheren und förderlichen Umfeld lassen können, während sie an der Fortbildung teilnehmen.

"Es war zunächst eine große Herausforderung, die Ausbildung mit meinem Kind zu absolvieren. Aber nachdem mein Kind in der Kindertagesstätte betreut wurde, konnte ich die Schneiderei-Ausbildung in vollem Umfang abschließen. Jetzt bin ich selbstständig. Ich habe mein eigenes Geschäft und arbeite mit einer gebrauchten Nähmaschine."

Rekik T.*

* Aussagen junger Mütter, die wir durch das Ausbildungsprojekt unterstützt haben. Die Namen der Teilnehmerinnen sind zum Schutz der Privatsphäre geändert.

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