Trotz großer Fortschritte in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben die Covid-19-Pandemie, Kriege, Krisen und der Klimawandel mindestens 70 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut getrieben. Die Zahl der Kinder, die in mehrdimensionaler Armut leben, ist seit 2020 um 15 Prozent gestiegen. Kampf gegen Armut, das heißt neben akuter Hilfe in Not immer auch Einsatz für Bildung und Gleichstellung – nur so können wir den Teufelskreis der Armut durchbrechen.
Was sind extreme, relative und mehrdimensionale Armut?
Es gibt unterschiedliche Definitionen des Begriffs Armut und dementsprechend schwanken auch die Zahlen der Betroffenen. Relative Armut bedeutet Armut im Abgleich mit dem durchschnittlichen Einkommen des jeweiligen Landes und führt dazu, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vielfach eingeschränkt ist. Von absoluter Armut spricht man, wenn es Menschen an lebensnotwendigen Dingen fehlt, wie Essen, Kleidung und medizinische Versorgung.
Als extrem arm gilt nach der Definition der Weltbank, wer täglich weniger als 2,15 Dollar zur Verfügung hat. Derzeit leben rund 700 Millionen Menschen in extremer Armut.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) errechnet einen Index für mehrdimensionale Armut (MPI), dabei werden Faktoren wie Bildung, Gesundheit, Ernährung und Zugang zu Wasser mit einbezogen. Nach MPI sind derzeit 1,1 Milliarden Menschen arm.
Egal, welche Definition man zugrunde legt: Kinder sind immer besonders stark betroffen. Sie machen die Hälfte der Armen aus, obwohl sie nur ein Drittel der Weltbevölkerung stellen.
Wo sind die meisten Menschen arm?
- Armut und Kinderarmut gibt es weltweit – in Entwicklungsländern wie in Industrienationen. Auch in Deutschland sind rund 2,2 Millionen Kinder von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, das heißt, sie leben in einem Haushalt mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens.
- Mehr als die Hälfte aller stark von Armut betroffenen Menschen leben in Subsahara-Afrika, mehr als 35 Prozent der Bevölkerung ist dort extrem arm. Die Armut ist dort – wie auch in Südasien im Jahr 2023 angestiegen.
- Auch in einigen Ländern Osteuropas und in Zentralasien sind die Armutsquoten hoch. In der EU ist jedes vierte Kind von Armut bedroht.
Welche Gründe gibt es für Armut?
- Armut der Eltern oder eines Elternteils
Die meisten Kinder werden in die Armut hineingeboren. Sind die Eltern arm, so haben auch die Kinder weniger Chancen auf ein Leben ohne Armut. In den Brennpunkten der Armut – oft Länder, die als Folge von Kolonialisierung und ungerechten Handelsstrukturen seit langem benachteiligt sind – wird Armut so von Generation zu Generation weitergegeben.
- Mangelnde Bildung der Eltern
Eng mit Armut verbunden sind mangelnde Bildungschancen. Nur wenn Kinder eine Chance auf Schulbildung und Ausbildung bekommen, können sie aus dem Kreislauf der Armut ausbrechen.
- Krieg, Flucht und Vertreibung
Kriege und bewaffnete Konflikte verschärfen die Armut, auch hier sind besonders Kinder betroffen: Laut Schätzungen von UNICEF lebten im Jahr 2023 rund 460 Millionen Mädchen und Jungen in Konfliktgebieten oder waren auf der Flucht. Noch nie waren so viele Kinder auf der Flucht wie heute. Allein der Krieg in der Ukraine hat Millionen Kinder in die Armut getrieben. Dazu kommen jahrelang anhaltende Kriege wie in Syrien oder im Sudan. Im Sudan, bereits vor dem Ausbruch des Konflikts eines der ärmsten Länder Welt, brauchen rund 14 Millionen Kinder dringend humanitäre Hilfe.
- Klimawandel
Die Folgen der Klimakrise wie Überschwemmungen oder Wasserknappheit werden noch weiter zu mehrdimensionaler Armut bei Kindern führen. Fast die Hälfte aller Kinder lebt in einem Land, das wegen der Auswirkungen des Klimawandels als extrem stark gefährdet eingestuft wird.
Über alle Regionen hinweg sind Menschen in ländlichen Gebieten ärmer als in städtischen, auch sind kinderreiche Familien häufiger von Armut betroffen. Zu den Risikogruppen gehören auch ethnische Minderheiten, Alleinerziehende Eltern und Frauen.
Die Folgen der Armut
Sind die Eltern arm, müssen Kinder oftmals zum Einkommen beitragen. Kinder, die arbeiten, brechen häufig die Schule ab oder gehen gar nicht zur Schule – damit schafft Kinderarbeit die Grundlage für die Armut der Zukunft. Für manche Mädchen bedeutet Armut neben Kinderarbeit auch Frühverheiratung, weil Familien sich dadurch Absicherung erhoffen. Sowohl die Zahl der arbeitenden Kinder als auch die Zahl der Zwangsverheirateten sind in Folge der Pandemie angestiegen. Derzeit werden schätzungsweise 12 Millionen Mädchen jährlich frühverheiratet.
Die körperlichen und psychischen Folgen von Armut sind vielfältig: Arme Mädchen haben ein höheres Risiko, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden oder sich mit HIV anzustecken. Armut ist eine Hauptursache für den Verlust der elterlichen Fürsorge. So leben 100 Millionen Kinder auf der Straße, sie sind besonders gefährdet, suchtkrank oder Opfer von Gewalt zu werden. Hunger und Mangelernährung zeichnen Kinder ihr Leben lang.
Hier schließt sich der Kreis: Wer arm ist, hat weltweit weniger Zugang zu Bildung. Weltweit gehen 250 Millionen Kinder und Jugendliche nicht zur Schule, so schätzt die UNESCO – besonders viele in Afrika südlich der Sahara sowie in Zentral- und Südasien. Diese Weltregionen sind Brennpunkte extremer Armut. Deswegen ist Bildung von zentraler Bedeutung, um Armut nachhaltig zu bekämpfen.
Armut beenden bis 2030?
Eine Welt ohne Armut zu schaffen ist eines der wichtigsten Ziele der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden erhebliche Fortschritte gemacht – Investitionen in Bildung und Soziale Sicherungssysteme lohnen sich. Doch schon vor der Pandemie verlangsamte sich die Reduzierung der weltweiten Armut, Covid-19 machte die Fortschritte von drei Jahren zunichte. Die Erholung von diesen Rückschlägen verlief ungleichmäßig – in einkommensschwachen Ländern, die wenig Gegenmaßnahmen treffen konnten, ging sie langsamer voran. Die Vereinten Nationen rechnen vor: Geht es in diesem Tempo weiter, werden 2030 rund 575 Millionen Menschen in extremer Armut leben.
Wie wir helfen
Der Kampf gegen Armut ist komplex – und so helfen die SOS-Kinderdörfer an den verschiedensten Stellen: Unter anderem leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe für Familien in Not, schaffen Zugang zu Bildung, tragen durch Entwicklungszusammenarbeit zur Entwicklung von Gemeinden bei und stärken Mädchenrechte weltweit.